Hier möchte ich alle Interessierten an meiner Entscheidung teilhaben lassen, ein Jahr lang ein Projekt der Kinder- und Jugendhilfe in Argentinien(Baradero, Provinz Buenos Aires) zu unterstützen. Dabei werde ich vom Projekt, meiner Arbeit hier und dem Leben im Land der Gauchos und des Mate- Tees berichten.

Samstag, 15. Oktober 2011

Frühling, Frauen und Murga.....



...die letzten Wochen ist viel passiert. Es gab viel zu tun und es gibt viel zu erzählen....leider habe ich deswegen auch länger nichts von mir hören lassen, aber jetzt versuche ich wieder fleißig zu berichten!

Zum Frühlingsanfang, welcher hier in Argentinien groß mit einer "Fiesta del Primavera" gefeiert wird, bekamen wir im Projekt Besuch von der "Escuela No. 17", einer der Grundschulen in Baradero. Die Kinder erschienen mit riesigen bunten Fahnen, um den Frühling zu begrüßen und wir feierten gemeinsam mit Burger, Kuchen und sportlichen Spielen das Ende der (einzigen) kalten Jahreszeit.

Jeden Mittwoch besucht uns eine Gruppe aus dem Heim für geistig behinderte Menschen, welche das Projektgelände für therapeutischen Reitunterricht mit einem Gaucho nutzen kann. Auch bei dieser Gelegenheit gab es eine gemeinsame "merienda"- also ein Kaffeetrinken - um den Frühling wilkommen zu heißen.




Am 24./25. September fand ein großes "campartimento" statt. Das ist ein Camp der Kinder und Jugendlichen aus allen Partnerprojekten in Buenos Aires und Umgebung. Dabei wurde in Altersgruppen aufgeteilt, so dass rund 60 Kinder zu uns nach Baradero kamen und es für die Jugendlichen ein Camp in Tigre (einem grünen Stadtteil am Rande von Buenos Aires) gab. Bei diesem Camp konnten die Kinder aus verschiedenen Aktivitäten auswählen. Es wurden handwerkliche Tätigkeiten und auch gemeinsame Spiele angeboten. Da am meisten Hilfe in der Küche notwendig war, habe ich den Großteil der Zeit dort ausgeholfen und mit den Kindern beispielsweise Pizza zubereitet.


Dieses Wochenende hat uns allen großen Spaß gemacht. Da solche Camps, welche Resultate der Zusammenarbeit der Projekte der Kinder- und Jugendhilfe in der Provinz Buenos Aires sind, regelmäßig stattfinden, ist ein Wiedersehen der Kinder sehr wahrscheinlich.






In der letzten Septemberwoche hatten wir auch wieder viel vorzubereiten. Am 02. Oktober stand das jährlich stattfindende Frühlingsfest des Hogars an.
Erwartet wurden ca. 300 bis 400 Besucher, wobei natürlich unsere Kinder mit Familien nicht fehlen durften. Auch die ehemaligen "Heimkinder" finden sich jedes Jahr zu dieser Zeit im Hogar zusammen und es gibt ein großes Treffen aller Menschen, die in irgendeinem Zusammenhang mit dem Projekt stehen bzw. Interesse haben, den Ort kennenzulernen. Die Vorbereitungen waren vielseitig und die Kinder halfen bereitwillig überall mit, wo Hilfe nötig war. So richeten wir gemeinsam die für den Verkauf gedachten Marmeladengläser her und bastelten einiges, um das Gelände für das große Fest schmücken zu können. Da das Projekt nur durch Selbstfinanzierung und Spenden bestehen kann, werden die Erträge aus dem Garten oder von den Lebensmittelspenden (einmal im Jahr gibt es eine riesige Blaubeerspende und im September gab es eine große Kiwispende) bei solchen Gelegenheiten zum Verkauf angeboten. So werden beispielsweise die Kräuter getrocknet und aus den Früchten Marmelade gekocht (Kiwi, Blaubeere, Birne, Orange, Mandarine, Feige, Zapallo, Quinoto,  ...). Wichtig ist hier allerdings zu erwähnen, dass die Nahrungsmittel aus dem Garten und auch die Lebensmittelspenden in erster Linie zur Selbstversorgung dienen und nur Überschüssiges zum Verkauf gedacht ist. Nachdem  also alle Marmeladengläser und das Gelände hübsch verpackt waren, ein Schwein geschlachtet wurde, gefühlte 100 Kuchen und Torten darauf warteten verzehrt zu werden und alle Tische und Bänke an  Ort und Stelle standen, konnte das große Fest beginnen. Dadurch, dass auch groß in Zeitung und Radio Werbung für das Frühlingsfest gemacht wurde, fanden sich am Sonntagmorgen schon die ersten Gäste ein und es folgten, wie erhofft, viele Weitere.

                 (der Eingangsbereich des "Centro de Dia" vor dem großen Ansturm)

Wer gern wollte, hatte die Gelegenheit, einen Gottesdienst zu besuchen. Alle Räumlichkeiten standen für die Besucher zur Besichtigung offen. Natürlich konnte man auch draußen (zum Glück spielte das Wetter kurzfritig doch mit!) in netter Gesellschaft und mit viel Mate die Sonne genießen. Die Kinder spielten auf dem gesamten Gelände und natürlich herrschte auch auf dem Fußballplatz viel Tumult.


Mit Musik untermalt, genossen die Besucher das Essen (neben den vielen Torten gab es Salat, Zapallo und Hühnchen), beteiligten sich an der Versteigerung des Spanferkels "lechón" oder gaben Tipps über das Gewicht einer großen Torte ab, die der bester Rater letztendlich gewonnen hat.


Das Fest war für alle Beteiligten ein sehr schönes Erlebnis und auch für die Kinder und mich ein Höhepunkt der letzten Wochen.


Am letzten Wochenende fand in Bariloche, einem Ort im westlichen Patagonien, der "Encuentro Nacional de Mujeres", ein nationaler Frauenkongress, statt. Da dieser für Mädchen und Frauen ab 13  Jahren gedacht ist, beschlossen mein Projekt und die Partnerprojekte der Provinz Buenos Aires gemeinsam einen Bus zu mieten, um mit den älteren Mädchen in den Süden zu diesem Kongress zu fahren.

Mit uns fuhren auch die Köchinnen aus dem Projekt und die Mutter eines unserer Mädchen nach Bariloche. Sie alle sind noch nie aus der Provinz Buenos Aires herausgekommen, von einer Reise zu einem weiter entfernten Ort ganz zu schweigen. So waren die Mädchen, welche mit zum Kongress konnten, als auch die erwachsenen Frauen schon aufgeregt, da es in Patagonien auf den Bergen sogar Schnee geben sollte. Nach 30 Stunden Fahrt (ich war verwundert, dass unser Bus überhaupt in einem Stück ankam) durch völlig unterschiedlichen Landschaften, kamen wir am Samstagmittag in Bariloche an. Als kostenlose Über-
nachtungsmöglichkeit, stand für die Kongressteilnehmerinnen eine Schule zur Verfügung.
Wichtig ist hier noch zu Wissen, dass die Rolle der Frau in Argentinien noch anders ist, als man es in Deutschland gewohnt ist. Zwar ist die Frau, als Mutter oder Großmutter Herzstück einer jeden Familie, allerdings steht sie in Sachen Gleichberechtigung und öffentlichem Mitspracherecht (von Cristina Kirchner einmal abgesehen) noch weit im Schatten des Mannes. Themen der verschiedenen Arbeits- und Diskussionsrunden waren unter anderem: Frauen und Sexualität, Homosexualität, Verhütung und Abtreibung, Verlust eines Kindes, Frau als Stütze der Familie, Frauen und psychische Gesundheit, HIV/ AIDS, Sucht/ Kampf gegen Drogen, körperliche Gewalt, sexuelle Gewalt, Misshandlung/ Missbrauch/ Kindesmissbrauch, Menschenhandel, Frauen und Arbeit/sexuelle Belässtigung, Bildung, .......(insgesamt wurde zu 51 Themen gearbeitet)....teilweise Themen die den Kindern und Jugendlichen im Projekt  leider nicht ganz fremd sind. Für die jugendlichen Mädchen wurden, speziell auf dieses Alter ausgerichtet,  Werkstätten angeboten.....


Höhepunkte des Kongresses war natürlich das große Abschlussfest. Das war ein wirklich grandioses Erlebnis für mich (und sicherlich auch für alle anderen). Neben den landestypischen Tänzen stand auch Murga auf dem Programm. Gerade in der Río de la Plata - Region, hat der Demonstrantentanz verbunden mit Karneval einen besonderen Stellenwert. Ursprünglich war dieser Tanz für die schwarzen Sklaven zum politischen Protest gedacht und wurde in der Militärdiktatur unter Jorge Rafael Videla sogar verboten. Das besondere an dem Trommeltanz ist das fröhliche Lebensgefühl und die Gelassenheit, die plötzlich alle Menschen ergreift. Aber man kann es nicht so einfach erklären....so etwas muss man miterlebt haben.


Auch der Marsch der Frauen, dem sich tausende anschlossen und welcher die Rechte der Frauen und verschiedenen kritischen Themen in den Mittelpunkt stellte, war sehr beeindruckend.



















Diese 3 Tage waren für uns alle sehr beeindruckend. Sei es, dass die Mädchen auf einen Berg mit Schnee fahren durften oder eben das Erleben und die Teilnahme an dem  Frauenkongress. Für alle Daheimgebliebenen haben wir als kleinen Trost die berühmte Schokolade aus Bariloche (die wahrscheinlich einzig gute Schokolade in Argentinien) mitgebracht und über tausende Frauen, Vulkanasche und riesige Berge berichtet.


Im Projekt ist ansonsten eigentlich alles beim Alten. Da es nun endlich wärmer ist, gehen wir mit den Kindern immer öfter in den Garten. Jede der 3 Gruppen hat ihr eigenes Beet, welches zum Anpflanzen regional- typischer Gemüse- und Kräuterarten gedacht ist. So haben wir bis jetzt die Erde hergerichtet und schon begonnen, Samen in Töpfen auszusäen. Außerdem lernen die Kinder alles kennen, was im Garten angebaut wird und damit verbunden, wird auch das Bewusstsein für Nahrungsmittel geschult, denn es ist keine Selbstverständlichkeit, dass die Kinder wissen, wie die Kartoffel für die  "papas fritas" (Pommes Frites) oder ein Salatkopf aussieht.

Morgen wird am Hafen vom Río Baradero ein Benefizrockkonzert für das "Hogar German Frers" stattfinden -  ich bin schon sehr gespannt...
Viele Grüße nach Deutschland und bis bald....


einige unsere "chicos" samt Ariel (der Ehemann der Projektchefin)...


das Team (v.l. Florencia: Tanztraining und Gymnastik; Alberto: Sportlehrer; Mario: Betreuer; Natalia: Sozialarbeiterin; Luciana: Betreuerin; Andrea: Betreuerin; Aldana: Psychologin; Noemí: Projektchefin; Tobias: Volunteer; ich)





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