Hier möchte ich alle Interessierten an meiner Entscheidung teilhaben lassen, ein Jahr lang ein Projekt der Kinder- und Jugendhilfe in Argentinien(Baradero, Provinz Buenos Aires) zu unterstützen. Dabei werde ich vom Projekt, meiner Arbeit hier und dem Leben im Land der Gauchos und des Mate- Tees berichten.

Dienstag, 1. Mai 2012

Von A wie ANGELN bis Z wie ZOO AUF DEM KOPF- ein bunter Mix sommer- herbstlicher Ereignisse im Projekt


Hier eine Zusammenfassung des Kurzfilms auf deutsch, welcher über das A.N.E.L.C. (Ayuda al Niños En La Calle- Hilfe für Straßßenkinder)  gedreht wurde. Neben dem "Casita - La Paloma" und dem "Arcangel Gabriel" gehört auch das "Hogar German Frers" zum Zusammenschluss der Straßenkinderzentren. Viele Szenen im Film zeigen das Hogar und unsere Kinder.


Nachdem Weihnachten und Neujahr vorüber waren hieß es bei uns in Argentinien „Bienvenidos 2012“ („Willkommen 2012) und 3 Monate Schulferien. Im Gegensatz zu hunderten Sozialprojekten in der Provincia Buenos Aires mussten wir den Sommer über nicht schließen, sondern konnten die Hogarpforten weiterhin für unsere Kinder geöffnet halten. Der Grund für die vorrübergehenden Schließungen der anderen Projekte waren die fehlenden Mittel des Staates zu diesem Zeitpunkt. Ein großes Problem der argentinischen Politik ist nämlich, neben dem katastrophalen Schulsystem, das Sparen am falschen Ende. So werden die staatlichen Mittel genutzt, fragliche Wahlversprechungen zu Finanzieren oder den wirtschaftlichen Schaden der immer mehr werdenden Feriados (staatliche Feiertage) auszubügeln, statt an den Lösungen offensichtlicher sozialer Probleme oder den Zukunftsperspektiven der jungen Menschen aus den untersten Schichten zu arbeiten.



Da sich das Hogar German Frers mit Hilfe der „Iglesia Evangelica del Rio de la Plata“ (Evangelische Kirche der Rio- de- la- Plata- Gegend) und aus eigenen Mitteln (durch den Verkauf der selbst hergestellten Produkte und das im Projekt befindliche kleine Hostel) finanziert, sind wir diesen Sommer nicht zum Opfer der staatlichen Sparmaßnahmen gefallen. Einzig und allein der kleine Transporter, welche die Kinder von den Schulen ins Hogar und abends nach Hause fährt, wurde von der Stadt Baradero, als Unterstützung beigesteuert. Allerdings wurde dieser Bus seit letztem Jahr November nicht mehr von der Stadt bezahlt (ebenso finanzielle Probleme), sodass unsere Kinder seit Januar zu Fuß ins Projekt kommen müssen. Für einige unmöglich, da dies einen Fußweg von über einer Stunde bedeuten würde und insbesondere der Heimweg am Abend einfach zu gefährlich wäre.

Eine weitere Veränderung seit Anfang des Jahres im Tageszentrum ist, dass unsere Kollegin Luciana mit ihrer Familie wieder in ihre eigentliche Heimatstadt Mar del Plata zurückziehen musste und so das Team zur täglichen Betreuung der Kinder nur noch aus 2 Educatores (Erziehern) und uns 2 Volontären besteht. Die Kinder haben wir nun in 2 Gruppen aufgeteilt, welche zum einen von Andrea und Tobias und zum anderen von Mario und mir übernommen wurden. Zu Beginn des Jahres gestalteten wir also zunächst einmal in der neuen Gruppenaufteilung die jeweiligen Räume ein wenig um.


Gruppenraumgestaltung Thema "Pacman"
Die heißen Sommertage konnten aufgrund des kleinen Juwels des Projektgeländes, einem Pool, ausgehalten werden. Tobias und ich gestalteten beispielsweise einen Nachmittag mit Wasserspielen, wobei die Kinder, jeweils in 2 Gruppen aufgeteilt, in 3 Disziplinen gegeneinander antraten (Erfrischung war natürlich gewünscht). Zuerst mussten die Kinder in einem Wurfspiel die Geschicklichkeit im Fangen und Werfen von Wasserbomben unter Beweis stellen. Daraufhin musste pro Team ein Wassereimer gefüllt werden. Schwierigkeit dabei  war es, das Wasser, mit einer am Besenstiel befestigten, durchlöcherten Flasche über eine bestimmte Strecke zu transportieren. In der dritten Disziplin wurden Wasserbomben im Liegen über die Köpfe zum jeweils letzten Spieler gereicht, der diese mit einem Zahnstocher im Mund so schnell wie möglich zum Platzen bringen sollte. Des  Weiteren gab Tobias, mein Mitfreiwilliger, den Kindern diesen Sommer Schwimmunterricht, da er schon in Deutschland in diesem Bereich Erfahrung gesammelt hatte.
Januar bis April haben wir mit den Kindern verschiedene Ausflüge gemacht. So waren wir beispielsweise an unserem Fluss, um uns im Angeln zu versuchen. Mit selbstgebauten Angelrouten aus Bambus, Angelsehne, Schwimmer und einem Hacken versuchten wir einen „großen Fang“ zu machen. Da unsere Routen natürlich nicht weit in den Fluss hineinreichten, beschränkte sich unsere Ausbeute auf ein paar kleine Fische und Minikrebse, welche wir natürlich alle schonend vom Haken befreiten und wieder zurück ins Wasser entließen.


Auf dem Weg zum Rio Baradero


Fleißige Angler


Können wir den Essen???




Angeln und dann zurück in Wasser
"Großer" Fang





Geplant haben wir momentan einen Ausflug in die Nachbarstadt San Pedro, um dort mit den Kindern ein Museum der Paläontologie zu besuchen. Dort werden Funde  aus ganz Argentinien und der Region ausgestellt und deren Geschichte erzählt. Um die Busfahrt bezahlen zu können haben wir gemeinsam mit den Kindern Geld, im Rahmen einer Verlosung gesammelt. Auch wenn man meinen sollte, dass die Kinder bei Aussicht des Besuchs eines solchen Museums sich eher langweilen, so ist es genau das Gegenteil. Die Kinder freuen sich schon riesig auf den Ausflug und auf das Museum und sind gespannt, was es dort zu entdecken gibt.
Seit Beginn des Jahres begleite ich Natalia, unsere Sozialarbeiterin, zu Besuchen der Familien der Kinder. Wir besprechen mit den Betreuungspersonen (Eltern/ Geschwister/ Großeltern/ etc.) der Kinder eventuelle Probleme in und außerhalb der Familie. In den letzten Monaten ist in verschiedenen Familien vermehrt das Fehlen der Kinder in den Schulen, das Thema Kinderarbeit und der Aufenthalt in der Straße, als Ort außerhalb von Schutz und Fürsorge, zur Sprache gekommen. Des Weiteren werden auch an den Problemen der Familien, wie beispielsweise Kriminalität, finanzielle Probleme, fehlende Gesundheitsversorgung, etc. gearbeitet.

Dabei ist es interessant zu sehen, in welch einem Umfeld die Kinder leben. So besteht beispielsweise das Heim einer 15- köpfigen Familie aus einem einräumigen Häuschen, mit Wellblechdach, Erdboden und abgezapften Strom für die kahle  Glühbirne, als Lichtspender. Zum Mittagessen teilt sich die Familie eine Tüte Cornflakes. Das einzige Hab und Gut der Familie, ein paar Hühner und Schweine, leben gemeinsam mit der Familie in dem Haus. Eine Toilette gibt es nicht. Ebenso wenig einen Rückzugsort, sodass die Gestaltung des Alltags auf der Straße vorprogrammiert ist.

Was mir bei den Besuchen immer wieder aufgefallen ist, dass die grauen Wände der Hütten einzig durch die Basteleien der Kinder aus dem Hogar ein wenig freundlicher wirken. Weshalb ich in den Ferien ein wenig mit den Kindern herumbastelte. So versuchten wir uns unter Anderem auch in der Kunst der Salzteigformerei, gestalteten bunte Türschilder und Teelichthalter. Das Trocknen erwies sich allerdings im Endeffekt aufgrund der immens  hohen Luftfeuchtigkeit, als nicht enden wollendes Experiment. Mittlerweile habe ich die Bastelarbeiten jedoch trocken bekommen und Dank eines speziellen Lacks weichen die Bastelleien nicht mehr innerhalb von 2 Stunden zu einer schwamm- gummiartigen Masse auf.

einige fertige Werke










beim Kneten, Walzen und Formen



Ich selbst plane seit einiger Zeit wöchentlich, in Zusammenarbeit mit Aldana der Psychologin und Natalia, eine „Taller de Valores“ („Wertewerkstatt“). Dort besprechen und bearbeiten wir gemeinsam mit den Kindern Themen wie „Die Rechte der Kinder“, Gesundheitsvorsorge, Drogenprävention, Sexualität (im Zusammenhang damit wird Sexualaufklärung stattfinden), Selbst- und Fremdwahrnehmung, etc.. Dies geschieht in einer Art Gesprächsrunde, in der Arbeit in Kleingruppen und/oder durch einen spielerischen Zugang (themenbezogenes Basteln, Quiz, Geschichten etc.). Bei diesem Projekt war es mir wichtig, dass eine Zusammenarbeit der Fachkräfte im Projekt mit spezifisch- themenbezogenen Zielen erfolgt, denn dies hatte für mich bisher etwas gefehlt. Weiterhin wird diese Werkstatt vorerst bis Ende des Jahres weitergeführt, um dann zu schauen, inwiefern Bedarf zur vertieften Arbeit an speziellen Themengebieten besteht.

Was die Hygiene anbelangt hatten wir im Sommer den Läusen den Kampf angesagt. Sobald ein Kind entlaust war, hatte allerdings schon das Nächste Läuse, sodass es fast unmöglich war nicht mindestens einen Lauskopf im Hogar zu haben (letzten Endes uns Mitarbeiter nicht ausgeschlossen). Auch die Kleinigkeiten, wie beispielsweise, dass Säubern nach einem Toilettengang, beherrschen zum Teil die 12- Jährigen noch nicht. Das, was eigentlich durch die Eltern in der Kindheit passieren sollte, übernehmen wir nun bei den etwas Größeren. Das tägliche Zähneputzen nach dem Mittagessen und am Abend wird mit den Kindern in Gemeinschaft gemacht, um auch dahingehend Hygiene zu lernen und zu gewährleisten.

Mit Dietrich Hartlieb, einem Erlebnispädagogen des Diakonischen Werks Baden, welcher im Rahmen eines Sabbatjahres in Argentinien unterwegs ist,  haben Tobias, einige andere Freiwillige und ich einen Holz- Erlebnispfad im Waldstück gebaut. Das Material hat sich neben Baumstämmen aus unserem Waldstück, auf einige Seile, Drahtseile und Schrauben beschränkt, welche vom Diakonischen Werk Baden gespendet wurden. Sinn ist es mit den Kindern erlebnispädagogische Übungen zu Themen wie (Selbst-)Vertrauen, Umgang mit Misserfolg, etc. machen zu können. Der Pfad wird auch in unserer „Taller de Valores“ mit eingebaut und von Dietrich gab es eine erlebnispädagogische Schulung für die Mitarbeiter, da diese als pädagogisches Konzept in Argentinien kaum bekannt ist.
Einzige Schwierigkeit beim Bau erwies sich darin, dass Argentinien im Februar diesen Jahres eine strengere Importpolitik beschlossen hat. Sinn soll es sein die einheimische Wirtschaft zu stärken, indem Waren, welche auch im eigenen Land hergestellt werden, strengeren Einfuhrbedingungen unterliegen. Probleme die sich daraus ergeben sind Produktionsstopps, da Nachschub fehlt, die Firmen kommen nicht mehr mit der Produktion der einzelnen Güter hinterher und letzten Endes blüht der Schwarzmarkt in Buenos Aires, wie zuletzt zur Wirtschaftskrise 2001. Für  uns merkbar wurde dies, da spezielle Schrauben in ganz Baradero nicht mehr aufzutreiben waren und wir den Bau des Erlebnispfades für einige Zeit im März unterbrechen mussten.  Die Frage, wie lang diese Import- Hindernisse und die fehlende Versorgung im Land bzw. Angebot zweitklassiger Waren aufrechterhalten werden können und sollen ist noch unklar.



Lachen auf der Balance- Wippe


Konzentration beim Wechsel von Affenlianen zur Hängebrücke 



Kraft beim Tarzansprung


Ausschnitt 1 vom Abenteuerpfad


Ausschnitt 2 vom Abenteuerpfad


Balanceakt auf der Stolpertreppe




So jetzt aber von der Politik zurück zum Projekt:
Was die Apoyo Escolar (Nachhilfe) anbelangt, setze ich im Moment durch, dass wir bei jedem Kind genau schauen, auf welchem Leistungsstand es ist, um dort anzusetzen, wo Hilfe erforderlich ist. Statt den Kindern gemeinschaftlich eine Aufgabe zu geben, welche den Einen aufgrund fehlender Kenntnisse zu schwer fällt und für den Anderen durch einen höheren Wissensstand eher langweilig ist, bin ich für die Planung von speziellen Aufgaben, die an den Wissensstand des jeweils Einzelnen anknüpfen. So habe ich 2 Monate im Voraus geplant, welche Aufgaben dem jeweiligen Kind zugeteilt werden, um möglichst  effektiv Defizite auszugleichen oder in Problembereichen tiefergehend mit ihnen zu arbeiten. Gerade bei den Älteren die weder Lesen, noch Schreiben können bzw. noch nicht einmal die Zahlen bis 20 beherrschen, gilt es strukturiert am Lernerfolg zu arbeiten ohne, dass die Motivation verloren geht.Das schönste Gefühl für die Kinder und auch für mich ist es, wenn man tatsächlich Fortschritte sieht.

 Im Alltag eines solchen Projekts ist es natürlich immer schwierig intensiv spezielle Teilbereiche zu planen und vorzubereiten, ohne anderes zu vernachlässigen, weshalb Tobias und ich, als Volontäre die Möglichkeit haben mehr Zeit und Arbeit in die Bereiche zu stecken, welche unserer Meinung nach in gewisser Weise zu kurz kommen oder in welchen neue die Ideen fehlen.

 Derzeit überlege ich, inwiefern ich mit den Kindern gemeinsam ein musikalisches Projekt auf die Beine stellen könnte. Leider haben wir noch nichts Musikalisches mit den Kindern gemacht seit ich hier bin. Deshalb bin ich im Moment auf der Suche, was genau man mit den Kindern machen könnte, um ein wenig Rhythmus und Freude am Musik machen zu vermitteln. Mir ist die Idee gekommen, aufgrund finanzieller Einschränkungen, was die Beschaffung von eventuellen Instrumenten betrifft, mit den Kindern Trommeln und andere Perkussion- Instrumente aus möglichst günstigem Material und Abfall zu basteln. Da ich leider selbst im Bereich  Percussion nicht so bewandert bin, besuche ich selbst jeden Samstag einen Percussion- Kurs im Kulturzentrum Baraderos und knüpfe Kontakte zu eventuellen Anleitern des Percussion- Projekts. Ich bin mir sicher das die Kinder eine Menge Spaß daran hätten, da die Rio- de- la- Plata- Region gerade für ihr Murga (bereits im Blog erklärte Trommel- Tanz- Kultur)bekannt ist. Inwiefern mir das Projekt glückt werde ich euch dann berichten.
Nun das war es erst einmal an Neuerungen, Projekten und meiner Arbeit aus dem Hogar German Frers. Einen besonders schönen Tag hatte ich im April, als ich gemeinsam mit den Kindern meinen Geburtstag hier in Argentinien mit einer riesigen Torte feiern konnte.




Hasta luego,
Helen.








Mittwoch, 25. April 2012

Das Warten hat (bald) ein Ende.....

Liebe Blogleser,
nachdem ich euch jetzt schon seit Anfang des Jahres nichts Neues geliefert habe, soll es nun endlich so weit sein. Am Wochenende werde ich mich hinsetzen und alles der letzten Monate berichten. Ihr koennt schon auf eine Menge Neuigkeiten aus dem Projekt gespannt sein. Es gab viele Ereignisse, Umstrukturierungen und ich kann euch eine Menge davon berichten, woran ich momentan mit den Kindern arbeite (eigene Projekte, usw.). Da die Freizeit in letzter Zeit viel fuer die Planung eigener Angebote im Projekt und Momente des "Luft- holens" draufging und die Zeit in Windeseile vergeht, habe ich mit einer neuen Nachricht aus Argentinien erstmal auf mich warten lassen. Aber ich freue mich, wenn ihr naechste Woche mal vorbeischaut, wenn es auf dieser Seite Neues aus Baradero, dem Hogar German Frers und meinem Leben hier in Argentinien gibt.
Saludos und Besos nach Deutschland von mir.

Mittwoch, 28. Dezember 2011

Weihnachten bei 30 Grad und Clownerie zum Jahresende


Liebe nach-weihnachtliche und vor-silvesterliche Grüße an alle, die meinen Blog verfolgen. Nach dem Weihnachts- und Jahresendstress komme auch ich endlich mal wieder dazu, etwas Neues reinzustellen (dabei entschuldige ich mich und verspreche, dass ich den Beitrag um zu ausführlicher schreiben werde).
In den letzten 2 Monaten ist viel im Hogar passiert , es war wieder viel zu tun und zum  Jahresende möchte ich euch endlich wieder einmal berichten, was ich in Argentinien so treibe.

Am Wochenende vom 12. bis 13. Oktober hatten wir hier auf dem Gelände eine große Feria Americana (einen großen Kleidermarkt- alles Second Hand). Dabei hatten wir  verschiedene Ziele. Wichtig für uns war zum Einen, dass die Familien unserer Kinder und andere Familien, welche in der gleichen finanziellen Situation stecken, die Möglichkeit haben die gebrauchten Kleider für möglichst wenig Geld zu erwerben. Zum Anderen war der Gewinn der Feria dafür gedacht, Weihnachtsgeschenke für die Kinder zu kaufen. So  arbeiteten wir alle die ganze Woche über fleißig, verteilten in den frühen Morgenstunden Plakate an die Geschäfte und backten am Vormittag Kuchen, die für den Verkauf bei der Feria gedacht waren. Am Wochenende standen die Menschen schon um 7.00 Uhr, somit eine Stunde vor der Öffnung der Feria, Schlange vor unserem Tor und 2 Tage lang waren die Pforten des Hogars für jeweils 10 Stunden zum Kleider-, Kuchen- und Marmeladenverkauf geöffnet.

Am darauf folgenden Wochenende fand ein Camparmento mit unseren Kindern außerhalb Baraderos statt. Solche Ausflüge sind immer wieder ein Highlight für die Kinder des  Projekts, denn sie bedeuten einen anderen Ort, andere Menschen und die Gewohnheiten der Großstadt kennenzulernen. Die wenigsten kommen außerhalb der Schulzeiten aus ihrem Barrio, geschweige denn aus Baradero heraus und somit ist ein solcher Ausflug eine kleine Abenteuerfahrt und eine sorglose Abwechslung vom sonstigen Alltag.
Am Freitag dem 18. November fuhren wir mit einem kleinen Bus nach Los Polvorines, einem Vorort von Buenos Aires. Dort besuchten wir eines unserer Partnerprojekte "Arcangel Gabriel" (ein Strassenkinderprojekt der deutsch- evangelischen Gemeinde Buenos Aires), welches eine ähnliche Zielgruppe hat, wie auch das "Hogar German Frers" - wer sich weiter zum Projekt informieren möchte, hier der Link: http://www.arcangel-gabriel.com/ .
Unsere Mädchen kannten schon einen Teil der Gruppe von unserer Fahrt zum Frauenkongress nach Bariloche und so gab es neben der großen Wiedersehensfreude auch gemeinsame Spiele um den Rest kennenzulernen. 

Besonders für die Kinder dabei ist, dass sie alle aus den gleichen Verhältnissen stammen und sich die Biografien oft ähneln, sodass sie ohne Hemmungen ins Gespräch kommen und sich über meist gemeinsames Gedankengut austauschen können. Neben den Räumen und dem neuen kleinen Pool im Hinterhof durften wir auch die Glaswerkstatt begutachten und uns einige der Kunstwerke anschauen, die später zum Verkauf angeboten werden.


Nach einem gemeinsamen Mittagessen machten wir uns auf zu einer Schule mit zugehörigem Kindergarten, in welchem wir die Nacht verbringen sollten. Da Noemi Loose, die Chefin des "Hogar German Frers", früher hier arbeitete konnte sie uns diese Übernachtungsmöglichkeit organisieren. Im Gegensatz zu den kleinen ländlichen Schulen, die die Kinder aus Baradero gewohnt sind, umfasste diese städtische Schule Primaria und Sekundaria (wer nun nicht weiß wovon ich spreche sollte meinen Bericht zum argentinischen Schulsystem lesen). Die Schüler hatten kleine Kekse für uns vorbereitet und die Kinder eingeladen an einer Schulstunde teilzunehmen. Je nach Klassenstufe in Kleingruppen eingeteilt, begleitete ich 5 unserer Kinder in den Spanischunterricht der 6. Klassenstufe. Der zwar für unsere Verhältnisse ziemlich unruhige Unterricht lief immer noch disziplinierter ab, als es unsere Jungs und Mädchen aus der Dorfschule gewohnt waren und ich denke sie waren doch eher erleichtert, als wir den Klassenraum wieder verließen.
Nachdem wir uns im Kindergarten eingerichtet hatten - die Schlafsäcke waren also ausgerollt- machten wir noch einen Spaziergang, um uns ein bisschen die Großstadtgegend anzuschauen.


 Nach dem Abendessen spielten wir in ausgelassener Stimmung drinnen und draußen und fielen um Mitternacht kaputt in die "Betten".

Am darauf folgenden Tag hatten wir eine Fahrt mit dem tren, also dem Zug in Buenos Aires , geplant. Tatsächlich war es für fast alle Kinder die erste Zugfahrt in ihrem Leben, umso größere Augen machten sie an der Bahnstation in freudiger Erwartung auf das kleine Abenteuer. Das Ziel war eigentlich egal und somit fuhren wir einige Stationen, um dann am Ziel unser Mittagessen (panchos- Hotdogs) einzunehmen. Anfangs noch ein wenig skeptisch trauten sich die Mutigen sogar an die offenen Fenster zu setzen und für alle war dies der perfekte Abschluss dieses kleinen Camparmentos.


Ich blieb privat noch einen Tag länger in Buenos Aires und besuchte am Abend des 19. Novembers noch die Geburtstagsfeier zum 25- jährigen Bestehen eines anderen Partnerprojekts in Buenos Aires. Von der Struktur her ähnlich, hat das "La Paloma A.N.E.L.C." auch Kapazitäten für die älteren Jugendlichen bis 20 Jahre, was bei unserem Projekt leider noch fehlt. Zum Geburtstag zeigte die Murga-Gruppe ihr Können und die Jugendlichen des Projekts hatten eine Überraschung vorbereitet- ein kleines Feuerwerk. Auch wenn es ein wenig regnete ließ sich niemand davon abhalten unter freien Himmel zu den Murga-Rythmen zu tanzen und so wurde auch die Chefin des Projekts mit ihren Bemühungen um das Projekt zum Abschluss noch gebührend geehrt.

Die Wochen im Projekt gestalten sich doch immer recht ähnlich. Neben verschiedenen Spielen, Hilfe bei den Hausaufgaben, den verschiedenen talleres (Werkstätten) zu Häkel-, Holz- und Gartenarbeit und den gemeinsamen Mahlzeiten unterhalte ich mich mit den Kindern über die Themen die sie gerade beschäftigen, über Probleme oder einfach auch nur über die Banalitäten des Lebens. Für die Kinder ist es wichtig Ansprechpartner zu haben, die immer ein offenes Ohr haben- egal um welches Thema es sich handelt. Ab und an kommen unsere Abuelas (Omas) ins Hogar und lesen den Kindern Geschichten und Märchen vor.

Mit Tobias, meinem Mitfreiwilligen und Mitbewohner aus Deutschland, bereitete ich in deutscher Tradition einen Adventskalender für die Kinder vor. Dabei waren für die Zeit bis Weihnachten nicht nur Süßigkeiten vorgesehen, sondern man durfte Weihnachtsgeschichten lauschen, weihnachtliche Mandalas malen oder beispielsweise auch bei einer Schnitzeljagd das Gelände nach einem Schatz absuchen. 




Auch eine Weihnachtswerkstatt wurde angeboten. Dort backten wir Plätzchen, bastelten weihnachtlichen Schmuck, übten Weihnachtslieder und bastelten uns einen kleinen Weihnachtsbaum. Man sieht also es wurde viel getan, um bei über 30 Grad im Advent weihnachtliche Stimmung aufkommen zu lassen.














Am 14. 12. war ein kleines Highlight des Jahres geplant, das große Jahresabschlussfest. Passend zum Thema "Zirkus" übten wir mit den Kindern Clownsszenen, Ballerinatänze, Zauberstücke und Dompteurkunststücke ein. Dabei habe ich mir die 5 Kinder und Jugendlichen rausgesucht, welche sich eher ungern präsentieren. Wir haben verpackt in einer Clownsnummer eine Sockenoper aufgeführt. Dabei haben wir selbstgestaltete Socken mit Gesichtern eine Arie aus "Carmen" singen lassen. Hinter einem Bettlaken versteckt kam der Chor der Socken schlagartig durch kleine Luken hervor und verschwand beim Verstummen des Gesangs wieder. Sowohl den Beteiligten, als auch den Zuschauern hat das Fest sehr gefallen und auch wenn leider nur einige Eltern erschienen sind, so war unsere Zirkusvorführung mit anschließendem gemeinsamen Abendessen ein gelungenes Fest.































Schon eine Woche später übten wir für ein kleines Krippenspiel, welches wir am 22.12. vor den Eltern und Freunden der Kinder vorführten. Danach gab es eine kleines Zusammenkommen bei Kuchen und Saft und die Kinder bekamen ihre Weihnachtsgeschenke. Für die Jungen konnten wir jeweils einen Fußball kaufen und die Mädchen bekamen Kleinigkeiten zum frisieren und basteln. Außerdem hatten wir kurz vorher eine Spende gebrauchter Spiele bekommen, welche auch an die Kinder verschenkt wurden. Traditionell kommt Papa Noël eigentlich am 24.12. um Mitternacht und bringt die Geschenke unter Feuerwerksgetöse. Unser kleines Fest war etwas vorverlegt und fand ohne Raketenkrach statt, war aber dennoch sehr schön.



Bis heute hatten wir ein kleines Weihnachtscamp mit den Kindern hier auf dem Gelände. Die Stimmung war außerordentlich gelassen und alle genossen die gemeinsame Zeit. Am gestrigen Abend saßen wir alle am Lagerfeuer zusammen, sangen Lieder und betrachteten die Sterne, bevor wir müde in unseren Doppelstockbetten einschliefen. Ich habe die Kinder mittlerweile sehr lieb gewonnen und freue mich schon auf die Zeit die ich mit ihnen im Projekt im neuen Jahr verbringen werde. Dabei werde ich mich noch mehr einbringen und auch aktiver in der Elternarbeit integriert sein.

Ich möchte mich am Ende des Jahres 2011 noch einmal ganz herzlich bei allen bedanken, die mich und das Projekt unterstützen. Ich wünsche euch allen ein gesundes neues Jahr und freue mich über jeden Interessenten, der meinen Blog verfolgt und somit wagt über den eigenen Tellerrand zu blicken.



Zum Abschluss nach meinen subjektiven Beschreibungen wieder einmal ein paar Zahlen und Daten- diesmal zum Thema Kinder und Jugendliche in Argentinien:

Nach neuen Erhebungen leben insgesamt 41.769.726 Einwohner in Argentinien (über die Hälfte gilt als arm)-  davon sind 25, 4 % Kinder unter 15 Jahren. 
Die Zahl der Jugendlichen (14- 24 Jahre), die in ärmlichen oder extrem ärmlichen Verhältnissen lebt, beläuft sich auf rund 5.000.000. Zum Vergleich: die Städte Berlin und Hamburg haben zusammengenommen 5.250.000 Einwohner. 
 Etwa 1,5 Millionen der argentinischen Jugendlichen zwischen 18-29 Jahren leben auf der Straße und fast die Hälfte der argentinischen Kinder und Jugendlichen lebt unterhalb des Existenzminimums.
Schätzungen zufolge arbeiten 1,5 Millionen Kinder zwischen 5 und 14 Jahren. Die häufigsten Bereiche der Kinderarbeit sind dabei in der Landwirtschaft, Müllsammler (Cartoneros), Straßenverkauf, Hausangestellte und Prostitution. Auch ein Junge der zu uns ins Projekt kommt (13 Jahre) arbeitet statt die Schule zu besuchen. Da er dies allerdings versucht geheim zu halten wissen wir noch nicht welcher Tätigkeit er nachgeht.
Tausende der Kinder und Jugendlichen haben Probleme mit Alkohol, Zigaretten und Drogen, wie beispielsweise der in Argentinien weit verbreiteten Abfalldroge "Paco", die bereits nach dem ersten Konsum zur starken Abhängigkeit führt (interessante Artikel zur Droge: http://www.focus.de/panorama/welt/drogen-phaenomen_aid_55721.html ; http://www.sueddeutsche.de/leben/drogen-in-argentinien-der-kampf-gegen-die-billig-droge-paco-1.926876 ).
Aber auch wenn in Argentinien große Probleme mit Kinderarmut, -prostitution und -handel hat, so ist es doch ein äußerst kinderfreundliches Land. Die Kinder sind im Alltag selbstverständlich und es wird  ihnen viel Raum zum Spielen und Erleben gegeben. Fast überall in den Städten finden sich Fußball- und Spielplätze und für die bettelnden Kinder in U-Bahn und an den Straßen hat jeder etwas übrig. Wer sich weiter zum Thema Kinderarmut in Argentinien informieren möchte kann den folgenden Links folgen: http://strassenkinderreport.de/index.php?goto=461&user_name=  ; http://www.aktiv-gegen-kinderarbeit.de/welt/suedamerika/argentinien ).




















Samstag, 15. Oktober 2011

Frühling, Frauen und Murga.....



...die letzten Wochen ist viel passiert. Es gab viel zu tun und es gibt viel zu erzählen....leider habe ich deswegen auch länger nichts von mir hören lassen, aber jetzt versuche ich wieder fleißig zu berichten!

Zum Frühlingsanfang, welcher hier in Argentinien groß mit einer "Fiesta del Primavera" gefeiert wird, bekamen wir im Projekt Besuch von der "Escuela No. 17", einer der Grundschulen in Baradero. Die Kinder erschienen mit riesigen bunten Fahnen, um den Frühling zu begrüßen und wir feierten gemeinsam mit Burger, Kuchen und sportlichen Spielen das Ende der (einzigen) kalten Jahreszeit.

Jeden Mittwoch besucht uns eine Gruppe aus dem Heim für geistig behinderte Menschen, welche das Projektgelände für therapeutischen Reitunterricht mit einem Gaucho nutzen kann. Auch bei dieser Gelegenheit gab es eine gemeinsame "merienda"- also ein Kaffeetrinken - um den Frühling wilkommen zu heißen.




Am 24./25. September fand ein großes "campartimento" statt. Das ist ein Camp der Kinder und Jugendlichen aus allen Partnerprojekten in Buenos Aires und Umgebung. Dabei wurde in Altersgruppen aufgeteilt, so dass rund 60 Kinder zu uns nach Baradero kamen und es für die Jugendlichen ein Camp in Tigre (einem grünen Stadtteil am Rande von Buenos Aires) gab. Bei diesem Camp konnten die Kinder aus verschiedenen Aktivitäten auswählen. Es wurden handwerkliche Tätigkeiten und auch gemeinsame Spiele angeboten. Da am meisten Hilfe in der Küche notwendig war, habe ich den Großteil der Zeit dort ausgeholfen und mit den Kindern beispielsweise Pizza zubereitet.


Dieses Wochenende hat uns allen großen Spaß gemacht. Da solche Camps, welche Resultate der Zusammenarbeit der Projekte der Kinder- und Jugendhilfe in der Provinz Buenos Aires sind, regelmäßig stattfinden, ist ein Wiedersehen der Kinder sehr wahrscheinlich.






In der letzten Septemberwoche hatten wir auch wieder viel vorzubereiten. Am 02. Oktober stand das jährlich stattfindende Frühlingsfest des Hogars an.
Erwartet wurden ca. 300 bis 400 Besucher, wobei natürlich unsere Kinder mit Familien nicht fehlen durften. Auch die ehemaligen "Heimkinder" finden sich jedes Jahr zu dieser Zeit im Hogar zusammen und es gibt ein großes Treffen aller Menschen, die in irgendeinem Zusammenhang mit dem Projekt stehen bzw. Interesse haben, den Ort kennenzulernen. Die Vorbereitungen waren vielseitig und die Kinder halfen bereitwillig überall mit, wo Hilfe nötig war. So richeten wir gemeinsam die für den Verkauf gedachten Marmeladengläser her und bastelten einiges, um das Gelände für das große Fest schmücken zu können. Da das Projekt nur durch Selbstfinanzierung und Spenden bestehen kann, werden die Erträge aus dem Garten oder von den Lebensmittelspenden (einmal im Jahr gibt es eine riesige Blaubeerspende und im September gab es eine große Kiwispende) bei solchen Gelegenheiten zum Verkauf angeboten. So werden beispielsweise die Kräuter getrocknet und aus den Früchten Marmelade gekocht (Kiwi, Blaubeere, Birne, Orange, Mandarine, Feige, Zapallo, Quinoto,  ...). Wichtig ist hier allerdings zu erwähnen, dass die Nahrungsmittel aus dem Garten und auch die Lebensmittelspenden in erster Linie zur Selbstversorgung dienen und nur Überschüssiges zum Verkauf gedacht ist. Nachdem  also alle Marmeladengläser und das Gelände hübsch verpackt waren, ein Schwein geschlachtet wurde, gefühlte 100 Kuchen und Torten darauf warteten verzehrt zu werden und alle Tische und Bänke an  Ort und Stelle standen, konnte das große Fest beginnen. Dadurch, dass auch groß in Zeitung und Radio Werbung für das Frühlingsfest gemacht wurde, fanden sich am Sonntagmorgen schon die ersten Gäste ein und es folgten, wie erhofft, viele Weitere.

                 (der Eingangsbereich des "Centro de Dia" vor dem großen Ansturm)

Wer gern wollte, hatte die Gelegenheit, einen Gottesdienst zu besuchen. Alle Räumlichkeiten standen für die Besucher zur Besichtigung offen. Natürlich konnte man auch draußen (zum Glück spielte das Wetter kurzfritig doch mit!) in netter Gesellschaft und mit viel Mate die Sonne genießen. Die Kinder spielten auf dem gesamten Gelände und natürlich herrschte auch auf dem Fußballplatz viel Tumult.


Mit Musik untermalt, genossen die Besucher das Essen (neben den vielen Torten gab es Salat, Zapallo und Hühnchen), beteiligten sich an der Versteigerung des Spanferkels "lechón" oder gaben Tipps über das Gewicht einer großen Torte ab, die der bester Rater letztendlich gewonnen hat.


Das Fest war für alle Beteiligten ein sehr schönes Erlebnis und auch für die Kinder und mich ein Höhepunkt der letzten Wochen.


Am letzten Wochenende fand in Bariloche, einem Ort im westlichen Patagonien, der "Encuentro Nacional de Mujeres", ein nationaler Frauenkongress, statt. Da dieser für Mädchen und Frauen ab 13  Jahren gedacht ist, beschlossen mein Projekt und die Partnerprojekte der Provinz Buenos Aires gemeinsam einen Bus zu mieten, um mit den älteren Mädchen in den Süden zu diesem Kongress zu fahren.

Mit uns fuhren auch die Köchinnen aus dem Projekt und die Mutter eines unserer Mädchen nach Bariloche. Sie alle sind noch nie aus der Provinz Buenos Aires herausgekommen, von einer Reise zu einem weiter entfernten Ort ganz zu schweigen. So waren die Mädchen, welche mit zum Kongress konnten, als auch die erwachsenen Frauen schon aufgeregt, da es in Patagonien auf den Bergen sogar Schnee geben sollte. Nach 30 Stunden Fahrt (ich war verwundert, dass unser Bus überhaupt in einem Stück ankam) durch völlig unterschiedlichen Landschaften, kamen wir am Samstagmittag in Bariloche an. Als kostenlose Über-
nachtungsmöglichkeit, stand für die Kongressteilnehmerinnen eine Schule zur Verfügung.
Wichtig ist hier noch zu Wissen, dass die Rolle der Frau in Argentinien noch anders ist, als man es in Deutschland gewohnt ist. Zwar ist die Frau, als Mutter oder Großmutter Herzstück einer jeden Familie, allerdings steht sie in Sachen Gleichberechtigung und öffentlichem Mitspracherecht (von Cristina Kirchner einmal abgesehen) noch weit im Schatten des Mannes. Themen der verschiedenen Arbeits- und Diskussionsrunden waren unter anderem: Frauen und Sexualität, Homosexualität, Verhütung und Abtreibung, Verlust eines Kindes, Frau als Stütze der Familie, Frauen und psychische Gesundheit, HIV/ AIDS, Sucht/ Kampf gegen Drogen, körperliche Gewalt, sexuelle Gewalt, Misshandlung/ Missbrauch/ Kindesmissbrauch, Menschenhandel, Frauen und Arbeit/sexuelle Belässtigung, Bildung, .......(insgesamt wurde zu 51 Themen gearbeitet)....teilweise Themen die den Kindern und Jugendlichen im Projekt  leider nicht ganz fremd sind. Für die jugendlichen Mädchen wurden, speziell auf dieses Alter ausgerichtet,  Werkstätten angeboten.....


Höhepunkte des Kongresses war natürlich das große Abschlussfest. Das war ein wirklich grandioses Erlebnis für mich (und sicherlich auch für alle anderen). Neben den landestypischen Tänzen stand auch Murga auf dem Programm. Gerade in der Río de la Plata - Region, hat der Demonstrantentanz verbunden mit Karneval einen besonderen Stellenwert. Ursprünglich war dieser Tanz für die schwarzen Sklaven zum politischen Protest gedacht und wurde in der Militärdiktatur unter Jorge Rafael Videla sogar verboten. Das besondere an dem Trommeltanz ist das fröhliche Lebensgefühl und die Gelassenheit, die plötzlich alle Menschen ergreift. Aber man kann es nicht so einfach erklären....so etwas muss man miterlebt haben.


Auch der Marsch der Frauen, dem sich tausende anschlossen und welcher die Rechte der Frauen und verschiedenen kritischen Themen in den Mittelpunkt stellte, war sehr beeindruckend.



















Diese 3 Tage waren für uns alle sehr beeindruckend. Sei es, dass die Mädchen auf einen Berg mit Schnee fahren durften oder eben das Erleben und die Teilnahme an dem  Frauenkongress. Für alle Daheimgebliebenen haben wir als kleinen Trost die berühmte Schokolade aus Bariloche (die wahrscheinlich einzig gute Schokolade in Argentinien) mitgebracht und über tausende Frauen, Vulkanasche und riesige Berge berichtet.


Im Projekt ist ansonsten eigentlich alles beim Alten. Da es nun endlich wärmer ist, gehen wir mit den Kindern immer öfter in den Garten. Jede der 3 Gruppen hat ihr eigenes Beet, welches zum Anpflanzen regional- typischer Gemüse- und Kräuterarten gedacht ist. So haben wir bis jetzt die Erde hergerichtet und schon begonnen, Samen in Töpfen auszusäen. Außerdem lernen die Kinder alles kennen, was im Garten angebaut wird und damit verbunden, wird auch das Bewusstsein für Nahrungsmittel geschult, denn es ist keine Selbstverständlichkeit, dass die Kinder wissen, wie die Kartoffel für die  "papas fritas" (Pommes Frites) oder ein Salatkopf aussieht.

Morgen wird am Hafen vom Río Baradero ein Benefizrockkonzert für das "Hogar German Frers" stattfinden -  ich bin schon sehr gespannt...
Viele Grüße nach Deutschland und bis bald....


einige unsere "chicos" samt Ariel (der Ehemann der Projektchefin)...


das Team (v.l. Florencia: Tanztraining und Gymnastik; Alberto: Sportlehrer; Mario: Betreuer; Natalia: Sozialarbeiterin; Luciana: Betreuerin; Andrea: Betreuerin; Aldana: Psychologin; Noemí: Projektchefin; Tobias: Volunteer; ich)





Sonntag, 11. September 2011

Apoyo Escolar und Gewöhnungsbedürftiges aus dem argentinischen Bildungswesen...

Es wird von Tag zu Tag wärmer und für einen Spätwinter/ Frühfrühling ist es mit 25 Grad schon gut warm. Die letzte Woche ist nicht wirklich etwas aufregendes passiert. Die Kinder bleiben jetzt Abends eine halbe Stunde länger, da es nun auch länger hell ist.  So wird die Zeit genutzt, um unter anderem mehr Zeit für Nachhilfe oder Hausaufgaben einzuplanen, was bitternötig ist.

Seit einer Reform des Schulsystems 1995 werden die ersten neun Schuljahre als Educación General Básica ( EGB: 9 Jahre Schulpflicht) bezeichnet und die weiterführenden Schulen als Polimodal, welche in den verschiedensten Fachbereichen angeboten werden. Allerdings wurde diese Reform in den vergangenen Jahren in verschiedenen Regionen wieder überarbeitet.

Das Schuljahr ist in Trimester unterteilt und die Kinder haben im Juli 2 Wochen Winterferien und ab Januar bis März Sommerferien, da die Konzentration in der Hitze wahrscheinlich noch schlechter sein wird, als ohnehin schon. Die Kinder besuchen 6 Jahre lang die Primaria und weitere 6 bzw. 7 Jahre die Secundaria. Leider gibt es ein großes Qualitätsgefälle zwischen den staatlichen und den privaten Schulen, sowie den Schulen in ländlicher und urbaner Umgebung. Allerdings wird dieses Problem auch von der Regierung wahrgenommen und verschiedene Modelle zur Angleichung des Qualitätsstandards sind in Planung, was jedoch einen langwierigen Prozess bedeutet.

Am Ende des Schuljahres gibt es Prüfungen, welche über die Versetzung in die nächste Klassenstufe entscheiden. Um eine gute Schulbildung zu ermöglichen vergibt die Regierungen Prämien an Schulleiter staatlicher Schulen, welche eine möglichst geringe Durchfallquote an ihrer Schule nachweisen können. Eine logische Folge ist natürlich, dass jeder Rektor möglichst wenige "Sitzenbleiber" anstrebt. Und dies geschieht am schnellsten, indem möglichst viele Kinder, ungeachtet ihres tatsächlichen Wissensstandes, versetzt werden. Leider ist dies ein weit verbreites Problem hier in Argentinien und während der Nachhilfe und den Hausaufgaben wird mir immer wieder bewusst, welche Konsequenzen das hat. Die Kinder können teilweise nicht Lesen, Rechnen oder Schreiben. Die Hausaufgaben werden nicht verstanden, da die Fragestellung noch nicht einmal gelesen werden können.

Ich habe auch oft das Gefühl, dass die Arbeitsbücher und -hefte für die Schule nicht wirklich gut durchdacht sind. So hat ein Fünftklässler, der gerade einmal die Farben im Englischunterricht (welcher hier übrigens qualitätiv sehr schlecht ist) gerlent hat, Hausaufgaben mit komplexer Aufgabenstellung in englischer Sprache. Können die Eltern kein Englisch folgt ganz logisch Demotivation. Auch die Lehrer geben den Kindern teils völlig unangebrachte Aufgaben bzw. schreiben Aufgaben in einer Art Hieroglyphenschrift in die Hefte der Kinder, sodass diese gar keine Möglichkeit haben diese  Hausaufgaben zu erledigen.

Auch interessant ist, dass die Kinder nicht jeden Tag zur Schule gehen und das kein Problem darstellt. Haben die Eltern keine Zeit ihre Kinder in die Schule zu bringen, ist es zu warm oder regnet es, sodass die Wege verschlammt sind, so bleiben die Kinder einfach zu Hause - das ist hier völlig normal.

Ihr seht also: wir haben im Nachhilfeunterricht (apoyo escolar) viel zu tun und es ist wichtig die Kinder immer wieder zu motivieren. Ich gebe mittlerweile auch manchmal schon Extraaufgaben, die zum Unterrichtsstoff passen. Letzte Woche kam sogar ein Junge zu mir und hat mich um extra Rechenaufgaben gebeten, worüber ich mich natürlich gefreut habe, da die Kinder eigentlich so schnell und liederlich wie möglich ihre Hausaufgaben hinter sich bringen wollen, vor allem wenn diese nicht verstanden werden. Es ist ein Trugschluss zu glauben die Kinder seien dumm. Oft fehlt einfach nur die Förderung und die Motivation durch die Lehrer und die Eltern.
Dies soll es erstmal zu dem Schulsystem und dem Apoyo Escolar gewesen sein. Wenn ihr fragen zu bestimmten Punkten habt oder euch etwas wichtiges fehlt, dann schreibt es einfach als Kommentar darunter.

Zum Schluss noch kurz was Statistisches:
Von den Argentiniern, welche über 20 Jahre alt sind, haben 88% die Schule besucht. Ungefähr 14% haben nicht einmal die Primaria abgeschlossen. Etwa 16% haben die Secundaria abgeschlossen, 5% einen höheren nicht- universitären Abschluss und 5% einen universitären Abschluss. Die Rate der Analphabeten ist ungefähr 5 mal so hoch wie in Deutschland und in den ländlichen Regionen am höchsten.

Die versprochenen Bilder werden diese Woche endlich folgen....muchos saludos y besos...

Dienstag, 30. August 2011

¡Bienvenidos!

Jetzt sind schon drei Wochen vergangen seit ich im fernen Argentinien angekommen bin......die Zeit vergeht schon jetzt wie im Flug und mein Castellano wird von Tag zu Tag besser. Nach dem Einführungsseminar für alle Freiwilligen aus Deutschland, welches in Buenos Aires stattfand, bin ich nun seit letzten Mittwoch auch im Projekt angekommen. Dieses befindet sich in der Provinz Buenos Aires, in der Stadt Baradero und heißt "Hogar German Frers". Das Projekt wurde ehemals als Kinderheim gegründet, musste jedoch vor etwa 4 Jahren aus juristischen Gründen geschlossen werden und fungiert seitdem als Tageszentrum für Kinder und Jugendliche (momentan kommen rund 30 regelmäßig ins Projekt).

Die Kinder kommen hier um 12 Uhr mit einem Bus an und die Älteren, welche kein Mittagessen in der Schule erhalten, können hier eine warme Mahlzeit einnehmen. Danach ist Zeit zum freien Spielen auf dem Gelände und die Kinder erledigen ihre Hausaufgaben.  Allerdings können zum Teil selbst die 10- jährigen noch nicht lesen und schreiben, sodass Hilfestellungen und Übungen nötig sind. Dabei wird eine Art Nachhilfe in sämtlichen Unterrichtsfächern angeboten. Am späteren Nachmittag wird dann in kleineren Gruppen zu unterschiedlichen Themen gearbeitet oder die Zeit zum Spielen genutzt. Nebenbei haben die Kinder die Möglichkeit Duschen zu nutzen und ihre Kleidung zum Waschen abzugeben. Am Abend gibt es dann ein gemeinames Abendessen mit allen Kindern, bevor diese mit dem Bus nach Hause gefahren werden. Am Wochenende finden oftmals Camps, Workshops zu verschiedenen Themen oder andere Freizeitaktivitäten statt, die den Kindern Gelegenheit bieten etwas außerhalb ihres Alltags zu erleben. Die Kinder und Jugendlichen kommen meist aus sehr schwierigen Verhältnissen. Die Familienumstände sind nicht vergleichbar mit dem uns gewohnten beschützendem und fürsorglichem Umfeld. Armut, Drogen- und Alkoholprobleme in der Familie, Aggressivität und Gewalt, sowie sexueller Missbrauch gehören unter anderem zum Alltag der Kinder. Insbesondere die Aggressivität, die daraus resultiert und schon in jungen Jahren vorgelebt wird, ist ein Problem, mit dem wir Mitarbeiter uns oftmals auseinandersetzen müssen. Allerdings sollte man nicht aus den Augen verlieren, dass es auch in Deutschland viele Kinder und Jugendliche gibt, die unter schlechten Bedingungen aufwachsen und denen seelisches und physisches Leid zugefügt wird. Dies ist nicht ausschließlich ein Problem der Entwicklungs- oder Schwellenländer (Argentinien gilt laut DAC- Liste als Entwicklungsland). Im Vergleich jedoch, ist die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die von Armut, Hunger und einem wenig kindgerechten Umfeld betroffen sind, weitaus höher als in Deutschland.

Der Weg vom Projekt ins Stadtzentrum führt direkt durch eines der ärmeren Stadtviertel und lässt ahnen, aus welchen häuslichen Umgebungen die Kinder im Tageszentrum stammen. Einige kommen auch von einer Insel vom "Rio Baradero"(ein Seitenarm des Rio Panamá),  auf der es größtenteils  weder Elektrizität noch fließend Wasser gibt und der tägliche Schulweg zum Teil mit einem Boot zurückgelegt werden muss. Zwar gibt es eine Art Schulschiff, welches die Kinder von der Insel einsammelt und Unterricht anbietet, allerdings ist dieser im Vergleich zum Schulunterricht in der Stadt qualitativ noch schlechter (zum Schulsystem und dem Unterricht hier werde ich in einem extra Beintrag berichten).
Aus der Stadt und umliegenden Gemeinden bekommen wir Kleiderspenden, die zentral im Projekt gesammelt werden und die wir bei Bedarf an die Kinder und die Familien weitergegeben. Auch eine Gebäckfabrik beliefert das Projekt mit Nahrungsspenden, die den Kindern vor dem Wochenende zugeteilt werden, da nicht immer ganz klar ist, inwiefern sie über diese Zeit mit Essen versorgt werden.

Im eigenen Garten haben wir Orangen, Zitronen, Mandarinen, Pomelos, Datteln, Kürbisse, Pflaumen und anderes Obst und Gemüse, allerdings wachsen momentan lediglich die  Zitrusfrüchte, da der Rest erst im Sommer reif sein wird. Wenn es wieder wärmer wird helfen auch die Kinder verstärkt im Garten mit und kümmern sich unter anderem mit um die Tiere (Hasen, Schafe, Schweine und Hühner).
Da hier momentan noch Winter ist, der dieses Jahr verhältnismäßig lang und kalt ist, frage ich mich, wie es die Menschen in den kargen Blechhütten mit fehlenden Fenstern  aushalten. Zwar haben wir hier am Tag 7- 10 Grad, aber die hohe Luftfeuchtigkeit lässt die Kälte durchdringender Wirken.

Beim Rückweg aus dem Stadtzentrum habe ich Menschen gesehen, die den gesammelten Müll, der nicht wiederverwertbar ist, verbrannt haben und sich an dem Feuer wärmten. Da scheint mir der kleine Holzofen in meinem Häuschen fast luxuriös, denn die schlecht isolierten Häuser ohne Heizungen sind nicht auf kalte Temperaturen eingestellt. Seit gestern scheint die Sonne allerdings wieder wärmer und der Frühling ist im Anmarsch, dann werden auch die Temperaturen wieder angenehmer.
In Kürze werde ich mehr zum Projekt, den Aktivitäten und der Situation hier erzählen. Sobald ich brauchbare Fotos habe werde ich auch ein paar Fotos auf diese Seite stellen. Bis dahin.... ¡Saludos cordiales!