Liebe nach-weihnachtliche und vor-silvesterliche Grüße an alle, die meinen
Blog verfolgen. Nach dem Weihnachts- und Jahresendstress komme auch ich endlich
mal wieder dazu, etwas Neues reinzustellen (dabei entschuldige ich mich und
verspreche, dass ich den Beitrag um zu ausführlicher schreiben werde).
In den letzten 2 Monaten ist viel im Hogar passiert , es war wieder viel zu tun und zum Jahresende möchte ich euch endlich wieder einmal
berichten, was ich in Argentinien so treibe.
Am Wochenende vom 12. bis 13. Oktober hatten wir hier auf dem Gelände eine
große Feria Americana (einen großen Kleidermarkt- alles Second
Hand). Dabei hatten wir verschiedene
Ziele. Wichtig für uns war zum Einen, dass die Familien unserer Kinder und
andere Familien, welche in der gleichen finanziellen Situation stecken, die
Möglichkeit haben die gebrauchten Kleider für möglichst wenig Geld zu erwerben.
Zum Anderen war der Gewinn der Feria dafür gedacht, Weihnachtsgeschenke für die
Kinder zu kaufen. So arbeiteten wir alle
die ganze Woche über fleißig, verteilten in den frühen Morgenstunden Plakate an die Geschäfte und backten am Vormittag Kuchen, die für den Verkauf bei der
Feria gedacht waren. Am Wochenende standen die Menschen schon um 7.00 Uhr,
somit eine Stunde vor der Öffnung der Feria, Schlange vor unserem Tor und 2
Tage lang waren die Pforten des Hogars für jeweils 10 Stunden zum Kleider-,
Kuchen- und Marmeladenverkauf geöffnet.
Am darauf folgenden Wochenende fand ein Camparmento mit unseren
Kindern außerhalb Baraderos statt. Solche Ausflüge sind immer wieder ein
Highlight für die Kinder des Projekts,
denn sie bedeuten einen anderen Ort, andere Menschen und die Gewohnheiten der
Großstadt kennenzulernen. Die wenigsten kommen außerhalb der Schulzeiten aus
ihrem Barrio, geschweige denn aus Baradero heraus und somit ist ein solcher
Ausflug eine kleine Abenteuerfahrt und eine sorglose Abwechslung vom sonstigen
Alltag.
Am Freitag dem 18. November fuhren wir mit einem kleinen Bus nach Los
Polvorines, einem Vorort von Buenos Aires. Dort besuchten wir eines
unserer Partnerprojekte "Arcangel Gabriel" (ein Strassenkinderprojekt
der deutsch- evangelischen Gemeinde Buenos Aires), welches eine ähnliche
Zielgruppe hat, wie auch das "Hogar German Frers" - wer sich weiter
zum Projekt informieren möchte, hier der Link: http://www.arcangel-gabriel.com/
.
Unsere Mädchen kannten schon einen Teil der Gruppe von unserer Fahrt zum
Frauenkongress nach Bariloche und so gab es neben der großen Wiedersehensfreude
auch gemeinsame Spiele um den Rest kennenzulernen.
Besonders für die Kinder dabei ist, dass sie alle aus den gleichen Verhältnissen stammen und sich die
Biografien oft ähneln, sodass sie ohne Hemmungen ins Gespräch kommen und sich
über meist gemeinsames Gedankengut austauschen können. Neben den Räumen und dem
neuen kleinen Pool im Hinterhof durften wir auch die Glaswerkstatt begutachten
und uns einige der Kunstwerke anschauen, die später zum Verkauf angeboten
werden.
Nach einem gemeinsamen Mittagessen machten wir uns auf zu einer Schule
mit zugehörigem Kindergarten, in welchem wir die Nacht verbringen sollten. Da
Noemi Loose, die Chefin des "Hogar German Frers", früher hier
arbeitete konnte sie uns diese Übernachtungsmöglichkeit organisieren. Im
Gegensatz zu den kleinen ländlichen Schulen, die die Kinder aus Baradero
gewohnt sind, umfasste diese städtische Schule Primaria und Sekundaria
(wer nun nicht weiß wovon ich spreche sollte meinen Bericht zum argentinischen Schulsystem lesen). Die Schüler hatten kleine Kekse für uns vorbereitet und die
Kinder eingeladen an einer Schulstunde teilzunehmen. Je nach Klassenstufe in
Kleingruppen eingeteilt, begleitete ich 5 unserer Kinder in den
Spanischunterricht der 6. Klassenstufe. Der zwar für unsere Verhältnisse
ziemlich unruhige Unterricht lief immer noch disziplinierter ab, als es unsere
Jungs und Mädchen aus der Dorfschule gewohnt waren und ich denke sie waren doch
eher erleichtert, als wir den Klassenraum wieder verließen.
Nachdem wir uns im Kindergarten eingerichtet hatten - die Schlafsäcke
waren also ausgerollt- machten wir noch einen Spaziergang, um uns ein bisschen
die Großstadtgegend anzuschauen.
Nach dem Abendessen spielten wir in
ausgelassener Stimmung drinnen und draußen und fielen um Mitternacht kaputt in
die "Betten".
Am darauf folgenden Tag hatten wir eine Fahrt mit dem tren, also
dem Zug in Buenos Aires , geplant. Tatsächlich war es für fast alle Kinder die
erste Zugfahrt in ihrem Leben, umso größere Augen machten sie an der
Bahnstation in freudiger Erwartung auf das kleine Abenteuer. Das Ziel war
eigentlich egal und somit fuhren wir einige Stationen, um dann am Ziel unser
Mittagessen (panchos- Hotdogs) einzunehmen. Anfangs noch ein wenig
skeptisch trauten sich die Mutigen sogar an die offenen Fenster zu setzen und
für alle war dies der perfekte Abschluss dieses kleinen Camparmentos.
Die Wochen im Projekt gestalten sich doch immer recht ähnlich. Neben
verschiedenen Spielen, Hilfe bei den Hausaufgaben, den verschiedenen
talleres (Werkstätten) zu Häkel-, Holz- und Gartenarbeit und den
gemeinsamen Mahlzeiten unterhalte ich mich mit den Kindern über die
Themen die sie gerade beschäftigen, über Probleme oder einfach auch nur über
die Banalitäten des Lebens. Für die Kinder ist es wichtig Ansprechpartner zu
haben, die immer ein offenes Ohr haben- egal um welches Thema es sich handelt. Ab und an kommen unsere Abuelas (Omas) ins Hogar und lesen den Kindern Geschichten und Märchen vor.
Mit Tobias, meinem Mitfreiwilligen und Mitbewohner aus Deutschland, bereitete ich in deutscher
Tradition einen Adventskalender für die Kinder vor. Dabei waren für die Zeit
bis Weihnachten nicht nur Süßigkeiten vorgesehen, sondern man durfte
Weihnachtsgeschichten lauschen, weihnachtliche Mandalas malen oder
beispielsweise auch bei einer Schnitzeljagd das Gelände nach einem Schatz
absuchen.
Auch eine Weihnachtswerkstatt wurde angeboten. Dort backten wir
Plätzchen, bastelten weihnachtlichen Schmuck, übten Weihnachtslieder und
bastelten uns einen kleinen Weihnachtsbaum. Man sieht also es wurde viel getan,
um bei über 30 Grad im Advent weihnachtliche Stimmung aufkommen zu lassen.
Am 14. 12. war ein kleines Highlight des Jahres geplant, das große
Jahresabschlussfest. Passend zum Thema "Zirkus" übten wir mit den
Kindern Clownsszenen, Ballerinatänze, Zauberstücke und Dompteurkunststücke ein.
Dabei habe ich mir die 5 Kinder und Jugendlichen rausgesucht, welche sich eher
ungern präsentieren. Wir haben verpackt in einer Clownsnummer eine Sockenoper
aufgeführt. Dabei haben wir selbstgestaltete Socken mit Gesichtern eine Arie
aus "Carmen" singen lassen. Hinter einem Bettlaken versteckt kam der
Chor der Socken schlagartig durch kleine Luken hervor und verschwand beim
Verstummen des Gesangs wieder. Sowohl den Beteiligten, als auch den Zuschauern
hat das Fest sehr gefallen und auch wenn leider nur einige Eltern erschienen
sind, so war unsere Zirkusvorführung mit anschließendem gemeinsamen Abendessen
ein gelungenes Fest.
Schon eine Woche später übten wir für ein kleines Krippenspiel, welches
wir am 22.12. vor den Eltern und Freunden der Kinder vorführten. Danach gab es
eine kleines Zusammenkommen bei Kuchen und Saft und die Kinder bekamen ihre
Weihnachtsgeschenke. Für die Jungen konnten wir jeweils einen Fußball kaufen
und die Mädchen bekamen Kleinigkeiten zum frisieren und basteln. Außerdem
hatten wir kurz vorher eine Spende gebrauchter Spiele bekommen, welche auch an
die Kinder verschenkt wurden. Traditionell kommt Papa Noël eigentlich am
24.12. um Mitternacht und bringt die Geschenke unter Feuerwerksgetöse. Unser
kleines Fest war etwas vorverlegt und fand ohne Raketenkrach statt, war aber
dennoch sehr schön.
Bis heute hatten wir ein kleines Weihnachtscamp mit den Kindern hier auf
dem Gelände. Die Stimmung war außerordentlich gelassen und alle genossen die
gemeinsame Zeit. Am gestrigen Abend saßen wir alle am Lagerfeuer zusammen,
sangen Lieder und betrachteten die Sterne, bevor wir müde in unseren Doppelstockbetten
einschliefen. Ich habe die Kinder mittlerweile sehr lieb gewonnen und freue
mich schon auf die Zeit die ich mit ihnen im Projekt im neuen Jahr verbringen
werde. Dabei werde ich mich noch mehr einbringen und auch aktiver in der
Elternarbeit integriert sein.
Ich möchte mich am Ende des Jahres 2011 noch einmal ganz herzlich bei allen bedanken, die mich und das Projekt unterstützen. Ich wünsche euch allen ein gesundes neues Jahr und freue mich über jeden Interessenten, der meinen Blog verfolgt und somit wagt über den eigenen Tellerrand zu blicken.
Zum Abschluss nach meinen subjektiven Beschreibungen wieder einmal ein paar Zahlen und Daten- diesmal zum Thema Kinder und Jugendliche in Argentinien:
Nach neuen Erhebungen leben insgesamt 41.769.726 Einwohner in Argentinien (über die Hälfte gilt als arm)- davon sind 25, 4 % Kinder unter 15 Jahren.
Die Zahl der Jugendlichen (14- 24 Jahre), die in ärmlichen oder extrem ärmlichen Verhältnissen lebt, beläuft sich auf rund 5.000.000. Zum Vergleich: die Städte Berlin und Hamburg haben zusammengenommen 5.250.000 Einwohner.
Etwa 1,5 Millionen der argentinischen Jugendlichen zwischen 18-29 Jahren leben auf der Straße und fast die Hälfte der argentinischen Kinder und Jugendlichen lebt unterhalb des Existenzminimums.
Schätzungen zufolge arbeiten 1,5 Millionen Kinder zwischen 5 und 14 Jahren. Die häufigsten Bereiche der Kinderarbeit sind dabei in der Landwirtschaft, Müllsammler (Cartoneros), Straßenverkauf, Hausangestellte und Prostitution. Auch ein Junge der zu uns ins Projekt kommt (13 Jahre) arbeitet statt die Schule zu besuchen. Da er dies allerdings versucht geheim zu halten wissen wir noch nicht welcher Tätigkeit er nachgeht.
Tausende der Kinder und Jugendlichen haben Probleme mit Alkohol, Zigaretten und Drogen, wie beispielsweise der in Argentinien weit verbreiteten Abfalldroge "Paco", die bereits nach dem ersten Konsum zur starken Abhängigkeit führt (interessante Artikel zur Droge: http://www.focus.de/panorama/welt/drogen-phaenomen_aid_55721.html ; http://www.sueddeutsche.de/leben/drogen-in-argentinien-der-kampf-gegen-die-billig-droge-paco-1.926876 ).
Aber auch wenn in Argentinien große Probleme mit Kinderarmut, -prostitution und -handel hat, so ist es doch ein äußerst kinderfreundliches Land. Die Kinder sind im Alltag selbstverständlich und es wird ihnen viel Raum zum Spielen und Erleben gegeben. Fast überall in den Städten finden sich Fußball- und Spielplätze und für die bettelnden Kinder in U-Bahn und an den Straßen hat jeder etwas übrig. Wer sich weiter zum Thema Kinderarmut in Argentinien informieren möchte kann den folgenden Links folgen: http://strassenkinderreport.de/index.php?goto=461&user_name= ; http://www.aktiv-gegen-kinderarbeit.de/welt/suedamerika/argentinien ).
Schön mal wieder von dir zu hören bzw. was zu lesen :)
AntwortenLöschenGrüße nach Südamerika!