Hier möchte ich alle Interessierten an meiner Entscheidung teilhaben lassen, ein Jahr lang ein Projekt der Kinder- und Jugendhilfe in Argentinien(Baradero, Provinz Buenos Aires) zu unterstützen. Dabei werde ich vom Projekt, meiner Arbeit hier und dem Leben im Land der Gauchos und des Mate- Tees berichten.

Mittwoch, 28. Dezember 2011

Weihnachten bei 30 Grad und Clownerie zum Jahresende


Liebe nach-weihnachtliche und vor-silvesterliche Grüße an alle, die meinen Blog verfolgen. Nach dem Weihnachts- und Jahresendstress komme auch ich endlich mal wieder dazu, etwas Neues reinzustellen (dabei entschuldige ich mich und verspreche, dass ich den Beitrag um zu ausführlicher schreiben werde).
In den letzten 2 Monaten ist viel im Hogar passiert , es war wieder viel zu tun und zum  Jahresende möchte ich euch endlich wieder einmal berichten, was ich in Argentinien so treibe.

Am Wochenende vom 12. bis 13. Oktober hatten wir hier auf dem Gelände eine große Feria Americana (einen großen Kleidermarkt- alles Second Hand). Dabei hatten wir  verschiedene Ziele. Wichtig für uns war zum Einen, dass die Familien unserer Kinder und andere Familien, welche in der gleichen finanziellen Situation stecken, die Möglichkeit haben die gebrauchten Kleider für möglichst wenig Geld zu erwerben. Zum Anderen war der Gewinn der Feria dafür gedacht, Weihnachtsgeschenke für die Kinder zu kaufen. So  arbeiteten wir alle die ganze Woche über fleißig, verteilten in den frühen Morgenstunden Plakate an die Geschäfte und backten am Vormittag Kuchen, die für den Verkauf bei der Feria gedacht waren. Am Wochenende standen die Menschen schon um 7.00 Uhr, somit eine Stunde vor der Öffnung der Feria, Schlange vor unserem Tor und 2 Tage lang waren die Pforten des Hogars für jeweils 10 Stunden zum Kleider-, Kuchen- und Marmeladenverkauf geöffnet.

Am darauf folgenden Wochenende fand ein Camparmento mit unseren Kindern außerhalb Baraderos statt. Solche Ausflüge sind immer wieder ein Highlight für die Kinder des  Projekts, denn sie bedeuten einen anderen Ort, andere Menschen und die Gewohnheiten der Großstadt kennenzulernen. Die wenigsten kommen außerhalb der Schulzeiten aus ihrem Barrio, geschweige denn aus Baradero heraus und somit ist ein solcher Ausflug eine kleine Abenteuerfahrt und eine sorglose Abwechslung vom sonstigen Alltag.
Am Freitag dem 18. November fuhren wir mit einem kleinen Bus nach Los Polvorines, einem Vorort von Buenos Aires. Dort besuchten wir eines unserer Partnerprojekte "Arcangel Gabriel" (ein Strassenkinderprojekt der deutsch- evangelischen Gemeinde Buenos Aires), welches eine ähnliche Zielgruppe hat, wie auch das "Hogar German Frers" - wer sich weiter zum Projekt informieren möchte, hier der Link: http://www.arcangel-gabriel.com/ .
Unsere Mädchen kannten schon einen Teil der Gruppe von unserer Fahrt zum Frauenkongress nach Bariloche und so gab es neben der großen Wiedersehensfreude auch gemeinsame Spiele um den Rest kennenzulernen. 

Besonders für die Kinder dabei ist, dass sie alle aus den gleichen Verhältnissen stammen und sich die Biografien oft ähneln, sodass sie ohne Hemmungen ins Gespräch kommen und sich über meist gemeinsames Gedankengut austauschen können. Neben den Räumen und dem neuen kleinen Pool im Hinterhof durften wir auch die Glaswerkstatt begutachten und uns einige der Kunstwerke anschauen, die später zum Verkauf angeboten werden.


Nach einem gemeinsamen Mittagessen machten wir uns auf zu einer Schule mit zugehörigem Kindergarten, in welchem wir die Nacht verbringen sollten. Da Noemi Loose, die Chefin des "Hogar German Frers", früher hier arbeitete konnte sie uns diese Übernachtungsmöglichkeit organisieren. Im Gegensatz zu den kleinen ländlichen Schulen, die die Kinder aus Baradero gewohnt sind, umfasste diese städtische Schule Primaria und Sekundaria (wer nun nicht weiß wovon ich spreche sollte meinen Bericht zum argentinischen Schulsystem lesen). Die Schüler hatten kleine Kekse für uns vorbereitet und die Kinder eingeladen an einer Schulstunde teilzunehmen. Je nach Klassenstufe in Kleingruppen eingeteilt, begleitete ich 5 unserer Kinder in den Spanischunterricht der 6. Klassenstufe. Der zwar für unsere Verhältnisse ziemlich unruhige Unterricht lief immer noch disziplinierter ab, als es unsere Jungs und Mädchen aus der Dorfschule gewohnt waren und ich denke sie waren doch eher erleichtert, als wir den Klassenraum wieder verließen.
Nachdem wir uns im Kindergarten eingerichtet hatten - die Schlafsäcke waren also ausgerollt- machten wir noch einen Spaziergang, um uns ein bisschen die Großstadtgegend anzuschauen.


 Nach dem Abendessen spielten wir in ausgelassener Stimmung drinnen und draußen und fielen um Mitternacht kaputt in die "Betten".

Am darauf folgenden Tag hatten wir eine Fahrt mit dem tren, also dem Zug in Buenos Aires , geplant. Tatsächlich war es für fast alle Kinder die erste Zugfahrt in ihrem Leben, umso größere Augen machten sie an der Bahnstation in freudiger Erwartung auf das kleine Abenteuer. Das Ziel war eigentlich egal und somit fuhren wir einige Stationen, um dann am Ziel unser Mittagessen (panchos- Hotdogs) einzunehmen. Anfangs noch ein wenig skeptisch trauten sich die Mutigen sogar an die offenen Fenster zu setzen und für alle war dies der perfekte Abschluss dieses kleinen Camparmentos.


Ich blieb privat noch einen Tag länger in Buenos Aires und besuchte am Abend des 19. Novembers noch die Geburtstagsfeier zum 25- jährigen Bestehen eines anderen Partnerprojekts in Buenos Aires. Von der Struktur her ähnlich, hat das "La Paloma A.N.E.L.C." auch Kapazitäten für die älteren Jugendlichen bis 20 Jahre, was bei unserem Projekt leider noch fehlt. Zum Geburtstag zeigte die Murga-Gruppe ihr Können und die Jugendlichen des Projekts hatten eine Überraschung vorbereitet- ein kleines Feuerwerk. Auch wenn es ein wenig regnete ließ sich niemand davon abhalten unter freien Himmel zu den Murga-Rythmen zu tanzen und so wurde auch die Chefin des Projekts mit ihren Bemühungen um das Projekt zum Abschluss noch gebührend geehrt.

Die Wochen im Projekt gestalten sich doch immer recht ähnlich. Neben verschiedenen Spielen, Hilfe bei den Hausaufgaben, den verschiedenen talleres (Werkstätten) zu Häkel-, Holz- und Gartenarbeit und den gemeinsamen Mahlzeiten unterhalte ich mich mit den Kindern über die Themen die sie gerade beschäftigen, über Probleme oder einfach auch nur über die Banalitäten des Lebens. Für die Kinder ist es wichtig Ansprechpartner zu haben, die immer ein offenes Ohr haben- egal um welches Thema es sich handelt. Ab und an kommen unsere Abuelas (Omas) ins Hogar und lesen den Kindern Geschichten und Märchen vor.

Mit Tobias, meinem Mitfreiwilligen und Mitbewohner aus Deutschland, bereitete ich in deutscher Tradition einen Adventskalender für die Kinder vor. Dabei waren für die Zeit bis Weihnachten nicht nur Süßigkeiten vorgesehen, sondern man durfte Weihnachtsgeschichten lauschen, weihnachtliche Mandalas malen oder beispielsweise auch bei einer Schnitzeljagd das Gelände nach einem Schatz absuchen. 




Auch eine Weihnachtswerkstatt wurde angeboten. Dort backten wir Plätzchen, bastelten weihnachtlichen Schmuck, übten Weihnachtslieder und bastelten uns einen kleinen Weihnachtsbaum. Man sieht also es wurde viel getan, um bei über 30 Grad im Advent weihnachtliche Stimmung aufkommen zu lassen.














Am 14. 12. war ein kleines Highlight des Jahres geplant, das große Jahresabschlussfest. Passend zum Thema "Zirkus" übten wir mit den Kindern Clownsszenen, Ballerinatänze, Zauberstücke und Dompteurkunststücke ein. Dabei habe ich mir die 5 Kinder und Jugendlichen rausgesucht, welche sich eher ungern präsentieren. Wir haben verpackt in einer Clownsnummer eine Sockenoper aufgeführt. Dabei haben wir selbstgestaltete Socken mit Gesichtern eine Arie aus "Carmen" singen lassen. Hinter einem Bettlaken versteckt kam der Chor der Socken schlagartig durch kleine Luken hervor und verschwand beim Verstummen des Gesangs wieder. Sowohl den Beteiligten, als auch den Zuschauern hat das Fest sehr gefallen und auch wenn leider nur einige Eltern erschienen sind, so war unsere Zirkusvorführung mit anschließendem gemeinsamen Abendessen ein gelungenes Fest.































Schon eine Woche später übten wir für ein kleines Krippenspiel, welches wir am 22.12. vor den Eltern und Freunden der Kinder vorführten. Danach gab es eine kleines Zusammenkommen bei Kuchen und Saft und die Kinder bekamen ihre Weihnachtsgeschenke. Für die Jungen konnten wir jeweils einen Fußball kaufen und die Mädchen bekamen Kleinigkeiten zum frisieren und basteln. Außerdem hatten wir kurz vorher eine Spende gebrauchter Spiele bekommen, welche auch an die Kinder verschenkt wurden. Traditionell kommt Papa Noël eigentlich am 24.12. um Mitternacht und bringt die Geschenke unter Feuerwerksgetöse. Unser kleines Fest war etwas vorverlegt und fand ohne Raketenkrach statt, war aber dennoch sehr schön.



Bis heute hatten wir ein kleines Weihnachtscamp mit den Kindern hier auf dem Gelände. Die Stimmung war außerordentlich gelassen und alle genossen die gemeinsame Zeit. Am gestrigen Abend saßen wir alle am Lagerfeuer zusammen, sangen Lieder und betrachteten die Sterne, bevor wir müde in unseren Doppelstockbetten einschliefen. Ich habe die Kinder mittlerweile sehr lieb gewonnen und freue mich schon auf die Zeit die ich mit ihnen im Projekt im neuen Jahr verbringen werde. Dabei werde ich mich noch mehr einbringen und auch aktiver in der Elternarbeit integriert sein.

Ich möchte mich am Ende des Jahres 2011 noch einmal ganz herzlich bei allen bedanken, die mich und das Projekt unterstützen. Ich wünsche euch allen ein gesundes neues Jahr und freue mich über jeden Interessenten, der meinen Blog verfolgt und somit wagt über den eigenen Tellerrand zu blicken.



Zum Abschluss nach meinen subjektiven Beschreibungen wieder einmal ein paar Zahlen und Daten- diesmal zum Thema Kinder und Jugendliche in Argentinien:

Nach neuen Erhebungen leben insgesamt 41.769.726 Einwohner in Argentinien (über die Hälfte gilt als arm)-  davon sind 25, 4 % Kinder unter 15 Jahren. 
Die Zahl der Jugendlichen (14- 24 Jahre), die in ärmlichen oder extrem ärmlichen Verhältnissen lebt, beläuft sich auf rund 5.000.000. Zum Vergleich: die Städte Berlin und Hamburg haben zusammengenommen 5.250.000 Einwohner. 
 Etwa 1,5 Millionen der argentinischen Jugendlichen zwischen 18-29 Jahren leben auf der Straße und fast die Hälfte der argentinischen Kinder und Jugendlichen lebt unterhalb des Existenzminimums.
Schätzungen zufolge arbeiten 1,5 Millionen Kinder zwischen 5 und 14 Jahren. Die häufigsten Bereiche der Kinderarbeit sind dabei in der Landwirtschaft, Müllsammler (Cartoneros), Straßenverkauf, Hausangestellte und Prostitution. Auch ein Junge der zu uns ins Projekt kommt (13 Jahre) arbeitet statt die Schule zu besuchen. Da er dies allerdings versucht geheim zu halten wissen wir noch nicht welcher Tätigkeit er nachgeht.
Tausende der Kinder und Jugendlichen haben Probleme mit Alkohol, Zigaretten und Drogen, wie beispielsweise der in Argentinien weit verbreiteten Abfalldroge "Paco", die bereits nach dem ersten Konsum zur starken Abhängigkeit führt (interessante Artikel zur Droge: http://www.focus.de/panorama/welt/drogen-phaenomen_aid_55721.html ; http://www.sueddeutsche.de/leben/drogen-in-argentinien-der-kampf-gegen-die-billig-droge-paco-1.926876 ).
Aber auch wenn in Argentinien große Probleme mit Kinderarmut, -prostitution und -handel hat, so ist es doch ein äußerst kinderfreundliches Land. Die Kinder sind im Alltag selbstverständlich und es wird  ihnen viel Raum zum Spielen und Erleben gegeben. Fast überall in den Städten finden sich Fußball- und Spielplätze und für die bettelnden Kinder in U-Bahn und an den Straßen hat jeder etwas übrig. Wer sich weiter zum Thema Kinderarmut in Argentinien informieren möchte kann den folgenden Links folgen: http://strassenkinderreport.de/index.php?goto=461&user_name=  ; http://www.aktiv-gegen-kinderarbeit.de/welt/suedamerika/argentinien ).




















1 Kommentar:

  1. Schön mal wieder von dir zu hören bzw. was zu lesen :)

    Grüße nach Südamerika!

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